Wie ich zum Buddhismus fand

Von klein auf suchte ich Gott, um zu wissen, warum das alles so ist: Alter, Krankheit, Sterben-Müssen und Tod, das Danach, Leid und Kummer. Warum alle diese Kriege und Ungerechtigkeiten überall in der Welt? Warum scheint den Einen alles zu glücken und sie leben in üppigem Wohlstand? Den Anderen aber, so sehr sie ackern und rackern, scheint alles zu misslingen. Ich dachte, dass einer oder mehrere Götter dafür verantwortlich sein müssen. Deshalb studierte ich Theologie und Kulturgeschichte der Weltreligionen. Aber je mehr Kluges wir theoretisch in uns hineinstopften, je heftiger und lauter wir diskutierten, umso drängender wuchsen Fragen und Zweifel. Antworten schienen in verwirrendem Nebel zu entschweben.

„Ich bin in der falschen Kirche!“, schlussfolgerte ich und versuchte andere Arten christlicher Glaubensgemeinschaften. Es half alles nichts. „Es gibt keinen Gott und die Erfindung des Himmels ist eine Lüge!“ war meine eindeutige Erkenntnis allen Suchens. So fiel ich in das schwarze Geistesloch des Materialismus. Das war die finsterste Zeit meines Lebens.

Genau zu dieser Zeit aber kam ich durch meine beruflichen Aufgaben nach Asien, genauer nach Nepal, Tibet, Thailand, Burma. Das Erste, was mir in den fremdartigen Tempeln auffiel, war die wohltuende Ruhe und nach INNEN weisende Stille. Niemand diskutierte. Ich begann zu fragen, erhielt Erläuterungen zu dieser immer ähnlich aussehenden gold-schimmernden riesigen Gestalt. Es folgten lächelnde Anregungen zum Stillwerden. Um in diese Ruhe einzutauchen, ging ich wieder und wieder in diese Hallen. Wollte mehr WISSEN. Die Mönche, die meine westliche Art des Irrglaubens „NUR durch Vermehrung des Wissens den Himmel zu erklimmen“, durchschauten, lehrten mich anstelle dessen die Vertiefung von Geistesruhe und das Einüben von Achtsamkeit und Geduld, das „Löschen der drei Feuer“ (Hass, Habgier, Unwissenheit). Das Langersehnte geschah: ich begann, mich wohl zu fühlen in dieser Atmosphäre des äußeren NICHTS-TUNS, zum ersten Mal. Deshalb verlängerte ich vier Mal meinen Arbeitsvertrag.

Ganz entscheidend wurden die Begegnungen mit Sogyal Rinpoche, Ayya Khema, Dagyab Kyabgön Rinpoche und ihren erhellenden Belehrungen. Zusammen mit den tibetischen Mönchen im Boudhanath Tempel (Kathmandu) rezitierte ich unzählige Male die Mantren, ohne zunächst genauer zu wissen, was sie bedeuteten.

So hangelte ich mich ganz langsam an einer noch sehr dünnen Dharma-Schnur entlang, spürte aber das Ziel und die erlösende Helle dahinter. Schrittweise kamen die alten Fragen wieder hoch, wurden aber dieses Mal zufriedenstellend beantwortet und hatten das Störende verloren. Die eschatologischen Ängste und Zweifel wurden geringer und gaben fundierten Überzeugungen Raum.

Das Allererstaunlichste aber war das Auftauchen und Wachsen von FREUDE. Lernen, Vertrauen, Üben verbreiterten sich zu einem inneren Jubel. Einer Gewissheit: DAS ist mein Weg! Und daraus die Lust und Kraft zum Weitergehen, ungeachtet aller zahlreichen Rückschläge. Der Druck, die Angst vor der Zeit, einem der westlichen Grundübel, war einer neuen Definition von Lebensdauer gewichen. Sogyal Rinpoche hatte uns gesagt: „Wir haben soooo viele Leben gelebt und wir haben viele Weitere vor uns, bis wir vollkommen zu Liebe, Mitgefühl, Freude und Gleichmut geworden sind.“ Das Erreichte ist bei weitem noch nicht genug und zufriedenstellend, aber es ist bedeutend MEHR, als wir in all den Jahren des früheren Suchens erträumen konnten.

Zurück in Deutschland fand ich durch einen dieser berühmten „Zu-fälle“ das Aachener Drikung-Zentrum und fühlte mich spirituell heimisch. Obwohl ich viele Kilometer fahren muss, versuche ich, so viel wie möglich dort zu sein. Besonders dankbar bin ich S.E. Ayang Rinpoche und den anderen Meistern für ihre Belehrungen sowie Ani Elke (Tändsin T. Karuna) und Christian Licht für ihre schier endlose Geduld bei der Beantwortung meiner vielen Fragen.

„Also ist der Buddhismus besser als das Christentum?“ werde ich oft gefragt. Nicht besser, sondern anders. Zwei verschiedene Wege zur Erlösung. Genau genommen begegnen sich der universelle kosmische Gott und die alles durchdringende Leerheit. In der Kernauffassung: Liebe, Mitgefühl, Freude, Gleichmut, Vergebung, Barmherzigkeit, Nächstenliebe und -hilfe ununterbrochen zu praktizieren, sind sie ebenbürtig. Als mir DIESE Erkenntnis geschenkt wurde, war ich überglücklich und voller Dankbarkeit.

Aber zwei Wege gleichzeitig praktizieren zu wollen, würde uns zeitlich, praktisch und psychisch überfordern. Deshalb versuche ich, bestmöglich dem Dharma zu folgen und die anderen (seriösen) Religionen in Toleranz, Respekt und Liebe zu achten.

Ernst, Frühjahr 2017

Liebe

Alles Wesentliche entsteht unmerklich.

So auch die Liebe!

Sie ist das wertvollste Geschenk.

Plötzlich ist sie da und erfüllt jeden Winkel

des Seins mit unsagbarer Freude.

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Die Liebe ist eine empfindsame Kraft:

niemand kann ihr befehlen,

niemand kann sie fest binden.

Sie ist unkäuflich und unbezahlbar.

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Damit sie zur unbezwingbaren Schönheit

aufblühen kann, braucht sie:

die Hingabe der Liebenden.

Die aufrichtige Zuneigung

in den 1000 alltäglichen Dingen.

Hingabe bewirkt dankbare Erwiderung.

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So wird aus Sich-schenken, Annehmen

und Sich-zurückschenken ein Himmel gewebt,

den Nichts und niemand zerstören kann.

Die Liebe ist unsichtbar.

Ihre Wirkung aber überstrahlt alle Horizonte.

Ein Gedicht von Ernst