Das Ngöndro – meine persönliche Zwischenbilanz

2018 startete unsere Ngöndro-Gruppe mit dem Projekt, gemeinsam die vorbereitenden Übungen zu absolvieren. Wir hatten uns vorgenommen, unter der Leitung von Ani Elke jedes Jahr eine Praxis zu absolvieren und das gesamte Jahr dazu zu nutzen, nicht nur Mantras zu sammeln, sondern auch das Verständnis der Praxis durch regelmäßige Erklärungen von Ani Elke zu vertiefen. Nun, drei Jahr Jahre später, scheint ein guter Zeitpunkt, eine Zwischenbilanz zu ziehen – meine ganz persönliche Zwischenbilanz.

Begonnen haben wir – nach einer kurzen Praxis des Buddha Ami­tayus und den äußeren vorbereitenden Übungen der vier Gedanken – mit der Zufluchtnahme. Voller Eifer habe ich mich in die Niederwerfungen gestützt. Dies sollte doch eigentlich mein Metier sein, so sportlich und voller Elan, wie ich mich fühlte. Nach den ersten Wochen – ok ich gebe zu, den ersten Tagen – und meinem ersten Muskelkater, den ersten Wehwehchen und Zimperlein, musste ich mir jedoch eingestehen, dass hier kein Sprint zu erwarten ist. Eher ein Marathon oder besser: ein Ultra-Marathon. Und den mal eben so nebenbei, neben der Arbeit, der Familie, den Verpflichtungen des Alltags, der Freizeit, den Freunden und dem Sport. Gut, den Sport hätte man in dieser Zeit auch getrost weglassen können. So kam dann nach dem ersten Hoch und der Super-Motivation auch schnell ein (erstes) Praxisloch. Mein Praxisloch möchte ich beschreiben als ein tiefes Loch, dass an den Rändern vor lauter Ausreden und Alltäglichem ganz rutschig und unwegsam geworden ist. Deswegen findet man nur schwer Halt und kann nicht so leicht rausklettern. Das Tückische an meinem Praxisloch ist, dass wenn ich glaube, ihm fast entstiegen zu sein, ich doch auf einer neuen Ausrede ausrutsche (und abends auf dem Sofa sitzen bleibe) oder über ein Alltagsproblem stolpere… und zack, falle ich wieder ganz rein.

So vergingen die ersten Monate in einem Wechseln zwischen Enthusiasmus und Frustration, zwischen viel Praxis und sehr wenig Praxis (ok, und auch mal gar keiner Praxis). Geholfen haben die regelmäßigen Treffen in der Gruppe. Alle anderen Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu sehen und sich austauschen zu können. Zu erleben, mit welch ähnlichen Themen viele von uns beschäftigt sind. Und natürlich immer wieder die Erklärungen und ergänzenden Worte zur Praxis von Anila zu hören. Immer voller Verständnis, pragmatisch und motivierend zugleich.

Nach gut einem Jahr Niederwerfungen und vielem „sich neu Rantasten“ meinerseits, sind wir dann gemeinsam in das zweite Jahr und die zweite Übung mit der Praxis des Vajrasattva gestartet. Endlich Sitzen! Und das nach der ganzen körperlichen Betätigung. Das wird mir sicherlich leichtfallen! Aber mein Kopf sagte: „Nix da! Wenn du dich schon nicht körperlich bewegst, bringe ich dich erst richtig auf Trab.“ Und so brachte auch das zweite Jahr seine Herausforderungen mit sich. Aber das kannte ich ja schon. Ich wusste vorher, dass es Streckenabschnitte geben wird, auf denen ich nur sehr langsam vorankommen würde und das hat mir geholfen.

Das dritte Jahr mit der Praxis des Mandala war dann mein persönlicher Favorit. Kann man das so sagen? 😉 Aus den ersten beiden Jahren wusste ich für mich schon ganz gut, wann und wie ich meine Praxis am besten machen kann und hatte eine Idee davon, wie ich mit meinem persönlichen Praxisloch umgehen kann. Das Pendel von Hochs und Tiefs schlug immer weniger aus und es kam immer (mal wieder) mehr Ruhe hinein.

Seit Anfang dieses Jahres beschäftigen wir uns als Gruppe nun mit dem vierten Teil der vorbereitenden Übungen, dem Guru Yoga. Kürzlich hatten wir unseren ersten Praxis- und Studientag – online, weil Corona – und es sind bis auf eine Ausnahme noch alle mit dabei. Wir haben sogar noch weitere Praktizierende in unserer Runde begrüßen dürfen. Das war für mich ein tolles Gefühl. Teil einer Gruppe zu sein, die ein gemeinsames Ziel verfolgt. Teil einer kleinen spirituellen Gemeinschaft zu sein. Einer Gemeinschaft, zu der jede und jeder etwas beigetragen hat.

Die vergangenen Jahre haben mir gezeigt, wie herausfordernd eine so lange Praxis wie das Ngöndro für mich sein kann. Aber auch und insbesondere, wie sehr es sich für mich lohnt, am Ball zu bleiben. Ich bin froh, dass ich mich immer wieder rangetastet habe, mich aus den diversen Praxislöchern herausgekämpft zu haben und bin dankbar über die Möglichkeit, das Ngön­dro hier im Zentrum mit vielen Mitstreiter*innen praktizieren zu können.

Vanessa Zillekens