Phowa-Kurs 2007 mit S.E. Ayang Rinpoche

Ein Erfahrungsbericht

Ich gebe zu, ich habe gezögert teilzunehmen – eine Woche ist schließlich viel Zeit – und noch dazu mit einem Job mit einem vollen Terminkalender. Aber schließlich war es ja das 25-jährige Jubiläum des tibetischen Zentrums und eine wirklich kostbare Gelegenheit, für die man sonst eher nach Indien reisen muss oder zumindest nach München oder so….

“Streng, aber gütig” – so hatte Ani Elke S.E. Ayang Rinpoche, den Gründer des Drikung-Zentrums in Aachen, beschrieben, als er vor acht Jahren hier im tibetischen Zentrum eine Einführung in die wahre Natur des Geistes gab. Damals war ich gerade zu meinem 40. Geburtstag bei dieser Veranstaltung – und ich war in der Tat beeindruckt von der Strenge dieses Lehrers, die mir jedoch zweifelsohne half, auf meinem Weg durch die Ng öndro-Praxis ein gutes Stück weiterzukommen.

Diesmal habe ich den Rinpoche weicher erlebt – vielleicht ist er mit dem Alter milder geworden, vielleicht habe auch ich mich verändert – oder vielleicht war es jetzt eben einfach so. Immerhin habe ich festgestellt, dass auch andere TeilnehmerInnen sich mit dieser Frage beschäftigt haben – für wieder andere schien das eher kleingeistiges Gerede zu sein – solche Fragen stellt man sich nicht, wenn man es mit einem vollendeten Lehrer zu tun hat!

Für die, die es bis hierhin nicht bemerkt haben sollten: Nein, ich bin auch nach dem Kurs nicht erleuchtet – ich bin auch nicht in die Aura des Erleuchteten eingetaucht. Im Gegenteil – etwas ernüchtert aber nicht mehr verwundert habe ich festgestellt, dass ich mich zu diesem Kurs wieder mal selbst mitgenommen habe – mit all meinen Unzulänglichkeiten, vielleicht – was ich hoffe und wünsche – mit etwas mehr Demut, Respekt und Mitgefühl für mich selbst und andere – mit etwas weniger Strenge und offenerem Herzen.

Was mir gut gefallen hat: Das Wetter war schön und es gab viel Platz – drinnen und draußen – um seiner Wege zu gehen. So konnten sich Gruppen zusammenfinden – oder es auch lassen. Ich persönlich schätze die Gebetsmühle im Garten sehr. Es vermittelt mir ein ruhiges und angenehmes Gefühl, mit dem Geländer in der Hand die Gebetsmühle zu drehen und einfach nur mitzulaufen und die Mantren zu sprechen. Was sich drumherum sonst noch so alles abspielt, ist mir manchmal zu viel – die Gespräche, die Unruhe, die fehlende innere Einkehr – das ist der Spiegel, der mir selbst damit immer wieder vorgehalten wird.

Danke, ihr lieben Sangha-Mitglieder, dass ihr euch auch alle selbst mitgebracht habt – mit all euren Unzulänglichkeiten. Danke für manches Gespräch und manchen Spaß – danke Hawe, Gustel und Ute für den Austausch zu spirituellen Fragen und manchem Zweifel – das hat mir geholfen, klarer zu werden. Danke Ute, dass du meintest, es kann Spaß machen, das Klo zu putzen – es war so, ich hatte damit etwas Nützliches zu tun. Danke Alex für deine Fragen nach den Tieren – ob das Phowa ihnen nutzt, was wir für sie tun können, damit sie die Erleuchtung erlangen………. und natürlich danke für das leckere Essen, das Bettina und Pit gezaubert haben.

Während ich dies schreibe, bin ich tatsächlich von Dankbarkeit erfüllt – das war auch mein nachhaltigster Eindruck nach dem Kurs.

Ayang Rinpoche ist ein Meister von großer spiritueller Kraft und der Fähigkeit diese in seinen Belehrungen und in der spirituellen Praxis zu übertragen und wirksam werden zu lassen. Er ist der Halter von zwei Phowa Übertragungslinien – jeweils einer in der Nyingma- und in der Drikung-Linie. Die Phowa-Praxis dient der Bewusstseinsübertragung in das reine Land von Buddha Amitabha zum Zeitpunkt des Todes. Dieser Weg ist deswegen so kostbar, da er auch für gewöhnliche Wesen mit entsprechender Motivation, Übung und Hingabe rasch zur Befreiung führen kann. Mit anderen Worten: Im Gegensatz zu anderen reinen Buddha-Ländern, in die man nur wiedergeboren wird, wenn man auf dem Pfad der Befreiung schon sehr weit fortgeschritten ist, kann man im reinen Land von Buddha Amitabha auch als gewöhnliches Wesen wiedergeboren werden.

Vom absoluten Standpunkt aus betrachtet ist die Wirkung und das Resultat von Nyingma- und Drikung-Phowa-Praxis gleich – vom relativen Standpunkt aus gesehen können Praktizierende unterschiedliche Vorlieben bzw. unterschiedliches Vertrauen in die eine oder andere Praxis haben. Wir erhielten die Einführung mit umfassenden Erklärungen in beide Linien – verbunden mit Rinpoches Bitte, zumindest eine der beiden Praktiken nach dem Kurs zwei Wochen lang täglich zu üben und danach jeweils zu Vollmond und zu Neumond.

Neben den Belehrungen zur Phowa-Praxis, zum Zeitpunkt des Todes und den Bardo-Zuständen gab es auch Belehrungen zu den drei Exzellenten (vollkommene Motivation, vollkommene Ausführung, vollkommene Widmung) und zur Vajrasattva-Praxis, die auch ein Bestandteil der Phowa-Praxis ist.

Hatte ich wirklich zur Vajrasattva-Praxis schon mal ausführliche Belehrungen erhalten? Und habe ich nicht schon sehr viele Male die Vajrasattva-Praxis gemacht? Habe ich nicht gedacht und gefühlt: o.k. – irgendwas ist angekommen, ich bin ein bisschen weiter? – Ja, sicher – das muss so sein. Und dennoch: Wieviel geht im Alltag wieder verloren – wie wunderbar, mit diesen Belehrungen sein Wissen aufzufrischen und zu vertiefen und die schon gewonnenen Erfahrungen und Einsichten zu bereichern.

Ja, ich fühle mich bereichert und beschenkt. Ich bedanke mich bei dir, Ani Elke, dass du dieses Zentrum mit unermüdlicher Energie und durch viele Hindernisse hindurch aufgebaut hast. Ich bedanke mich bei dir, Christian, dass du nun schon über so viele Jahre an der Seite von Elke stetige und wertvolle Arbeit in diesem Zentrum leistest.

Möge dieser Ort uns allen zur Weiterentwicklung unseres spirituellen Weges erhalten bleiben.

Es grüßt euch alle
Eva

Aus Rundbrief 1/2008