Tsa Lung – Tibetisches Yoga

Tsa Lung (tibetisches Yoga) ist eine Praxismethode des Vajrayana, um die Natur des Geistes zu realisieren. Es handelt sich um eine äußerst wirkungsvolle Geistesschulung, welche durch Körper- und Atemübungen, durch Visualisierung und Meditation die Harmonisierung von Körper, Geist und Elementen bewirkt.

Seit Oktober 2022 gibt Drubpön Kunsang regelmäßig während seiner Besuche Einführungen in die Praxis des Tsa Lung und zeigt weiterführende Übungen.

Die von Drubpön Kunsang unterrichteten Übungen gehen auf Buddha Shakyamuni zurück und wurden vom indischen Mahasiddha Naropa zum ersten Mal aufgeschrieben. Das Tsa Lung-System wurde ihm von seinem Lehrer, dem Mahasiddha Tilopa übertragen, der es wiederum durch eine Dakini von Buddha Vajradhara erhalten hat. Von Naropa wurden die Belehrungen an den tibetischen Übersetzer Marpa weitergegeben, der ein sehr kraftvoller Tsa Lung-Praktizierender war, und von diesem über Milarepa, der sich bei den Übungen gerne von Tieren inspirieren ließ, Gampopa und Phagmodrupa an Kyobpa Jigten Sumgön, den Begründer der Drikung-Linie, so dass die Übertragungslinie in der Drikung-Tradition bis zum heutigen Tag ununterbrochen erhalten ist.

Im Tsa Lung werden zwei Praxiswege unterschieden, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen:

Der eine Weg ist die Praxis der vorbereitenden Tsa Lung-Übungen (Tsa Lung Lu Jong) oder das «Tsa Lung des Alltags». Es ist fokussiert auf die Gesundheit von Körper und Geist. Diese Praxis arbeitet mit den inneren Kanälen und Chakren, auf Tibetisch TSA (skr. Nadi), sowie mit dem komplexen System der inneren Winde, auf Tibetisch LUNG (skr. Prana) genannt. Körperliche und geistige Krankheiten werden im Tsa Lung-System als eine Folge von blockierten Kanälen, verklebten Chakren, unausgeglichenen Winden sowie von nicht ausbalancierten Elementen auf der äußeren, der inneren und der subtilen Ebene gesehen. Mit Hilfe der Tsa Lung-Übungen nehmen wir Einfluss auf diese Ungleichgewichte, was zu einer Harmonisierung und Reinigung von Tsa, Lung und den Elementen führt.

Das von Drubpön Kunsang gelehrte Spektrum an vorbereitenden Tsa Lung-Übungen umfasst neben Übungen, die zu Beginn jeder Tsa Lung-Praxis durchgeführt werden, auch Übungen

  • zur Mobilisierung des Körpers und seines gesamtes Energiesystems,
  • zur Heilung der drei Basiskrankheiten (Tripa, Lung, Beken),
  • zum Ausbalancieren der fünf Wurzelwinde (Wind-Heilung),
  • zur Reinigung und Stärkung der fünf Wurzelwinde (Windbalance-Übungen),
  • zur Harmonisierung der fünf Elemente,
  • zur Zähmung der fünf Geistesgifte bzw. Transformation in die fünf Weisheiten (Dhyani-Buddha-Übungen)
  • zum Öffnen der Weisheitsaugen, wodurch ein Schutz in die zehn Richtungen aufgebaut wird,
  • zum Schutz vor den Maras (Herzschutz-Übungen) sowie
  • zum Schutz vor Angst und zur Überwindung von Hass durch die Demonstration und das Erleben der eigenen Kraft (Dong-mo-Übung).

Der andere Weg, den man die Praxis des fortgeschrittenen Tsa Lung (Tsa Lung Trul Khor) nennt, ist der Weg der Yogis und Yoginis. Er hat die Realisierung der Natur des Geistes, der Leerheit und die Erleuchtung zum Ziel. Anders als auf dem vorbereitenden Weg, wird hier intensiv mit den TIGLES gearbeitet. Zu dieser Praxis gehören die Sechs Yogas von Naropa sowie die Yidam-Praxis von Vajravarahi und Chakrasamvara.

Die beiden Tsa Lung-Wege sind nicht durch starre Grenzen voneinander getrennt, sondern ergänzen sich bzw. bauen aufeinander auf. Ohne einen gesunden Körper und einen stabilen Geist sind fortgeschrittenere Tsa Lung-Übungen nicht möglich. Der Yogi Milarepa sagte: „Tsa Lung ist die beste Übung zur Selbstheilung, körperlich sowie geistig.“

Neben einer guten Motivation und Geduld ist auch die kontinuierliche Praxis eine wichtige Voraussetzung. Da das Tsa Lung zum Tantrayana-System gehört, sollten die Übungen nicht ohne Anleitung durch einen erfahrenen und authentischen Lehrer durchgeführt werden.

Die vier Grundlagen der Achtsamkeit

Darüber hinaus wird Drubpön Kunsang uns im April auch Unterweisungen zur Shamatha- und Vipashyana-Meditation geben. Das vierfache Kultivieren von Achtsamkeit – auch bekannt als die vier Grundlagen der Achtsamkeit – wurde von Buddha Shakyamuni im Satipatthana-Sutra gelehrt. Weitere Erklärungen über die Achtsamkeit auf den Atem gibt er im Anapanasatti-Sutra. Beispiele zur Achtsamkeit auf den Körper finden sich im Kayagatasati-Sutra. Die Achtsamkeitspraxis aller buddhistischen Schulen basiert auf diesen drei Sutren.

Achtsamkeit bedeutet, die jeweilige Praxis nicht zu vergessen und den Geist ‚entspannt zu sammeln‘. Achtsamkeit entsteht, wenn man das Interesse für weltliche Belange loslässt. Unsere Praxis erfährt dadurch eine tiefe Kraft.

Der Buddha lehrte vier Formen der Achtsamkeit, die aufeinander aufbauen:

  • Achtsamkeit auf den Körper
  • Achtsamkeit auf die Gefühle
  • Achtsamkeit auf den Geist
  • Achtsamkeit auf die Phänomene (lt. Gampopa: Dharmas)

Die Achtsamkeit auf den Körper kann als ein nicht wertendes Bewusstsein des Körpers verstanden werden und führt zu dem Verständnis, dass alle Phänomene, Formen oder ‚Körper‘ frei von einer innewohnenden Existenz sind, leer wie Bilder auf einem Spiegel oder auf klarem, unbewegtem Wasser.

Bei der Achtsamkeit auf die Gefühle lenken wir unsere nicht wertende Aufmerksamkeit auf unsere Sinnesempfindungen. Als Stütze der Meditation kann dabei jeder der fünf Sinne genutzt werden. Es geht darum, Gefühle wahrzunehmen, ohne sie zu kommentieren oder zu bewerten. Dadurch werden wir frei von der Anhaftung an angenehme und der Ablehnung unangenehmer Gefühle.

Die Achtsamkeit auf den Geist betrachtet mit nicht wertender Aufmerksamkeit den gegenwärtigen geistigen Zustand, frei von Identifikation. Wir nehmen den Geisteszustand wahr, der momentan präsent ist, bemerken die Ursachen für das Auftauchen und Vergehen der verschiedenen Geisteszustände, und erkennen, wodurch heilsame Geisteszustände gefördert werden. Die höchste Form von Achtsamkeit auf den Geist ist es, wenn wir der Natur des Geistes gewahr sind.

Im Rahmen der Achtsamkeit auf die Phänomene unterziehen wir unsere gesamte Existenz einer nicht wertenden Betrachtung in Form einer entspannten und zugleich präzisen Gesamtuntersuchung der Wirklichkeit einschließlich der Dharma-Lehren. Wir erlangen Sicherheit bzgl. der Einsichten, die wir bei den ersten drei Achtsamkeitsübungen erlangt haben. Diese Achtsamkeit führt zu der Erkenntnis, dass alle Phänomene aufeinander bezogen sind bzw. voneinander abhängen, dass es kein Selbst und keine beständige Identität gibt. Unsere Unwissenheit wird an der Wurzel abgeschnitten. Es gibt kein Subjekt (Beobachter) und Objekt (Beobachtetes) mehr, die Bewegung unseres Geistes und unser Gewahrsein werden eins.

Achtsamkeit bildet aber nicht nur die Grundlage der buddhistischen Praxis, sondern wirkt sich auch verstärkend auf jede weitere Methode aus, von der wir auf dem spirituellen Weg Gebrauch machen. Nicht zuletzt wirkt sich die Achtsamkeitsschulung auch bereichernd auf unser tägliches Leben aus.

Quelle: Drikung Kagyu Dorje Ling, Schweiz und „Der kostbare Schmuck der Befreiung“, Glossar

Zusammenstellung von Dorothée Söndgen

 

Hinweis:
Tsa Lung-Programme mit Drubpön Kunsang und Dorothée Söndgen in Aachen
Am 1. und 2. April wird Drubpön Kunsang weitere Erklärungen zu den Übungen des Tsa Lung und – als Basis dessen – den vier Grundlagen der Achtsamkeit geben.
Nähere Infos

Eine Einführung in Tsa Lung findet mit Dorothée Söndgen am Sonntag, 19. März statt und eine Übungsgruppe trifft sich einmal im Monat.

Schriftliche Unterlagen zu den verschiedenen Stufen der Tsa Lung-Praxis sind mittlerweile im Mandala Dharma-Shop verfügbar.