Wie ich zum Buddhismus kam

Was sucht eine Barbiepuppe auf blauem Pferd im Altar des tibetischen Zentrums?

Ein paar persönliche Anmerkungen

Ja, es stimmt – ich bin in den 50er Jahren am Niederrhein aufgewachsen, in einer sehr, ich wiederhole, sehr katholischen Gegend. Der Besuch der Sonntagsmesse war obligatorisch, aber dabei blieb es nicht. Sonntagsandacht und alles, was noch im Angebot war, musste mitgemacht werden. Das Bild von Gott war wirklich der große alte Mann, der alles sah. Und schlimmer noch, der auch Gedanken hören konnte und jede noch so listig versteckte Aktion mitbekam. Man war ihm ausgeliefert und eines war sicher: Spaß verstand der nicht. Die Strafen waren drakonisch und die schlimmste Station war die Hölle – aber es gab etliche Vorhöllen, die nur den vermeintlichen Vorteil hatten, dass man da nach einer gewissen Leidenszeit wieder herauskommen konnte.

Ich bin dann als junge Erwachsene aus der Kirche ausgetreten, atmete auf und fortan ging ich als überzeugte Atheistin durch’s Leben.

Mit 35 Jahren machte ich noch einmal eine berufsbegleitende Zusatzausbildung als Tanzpädagogin und lernte neben der anstrengenden aber überaus freudvollen Arbeit mit dem Körper einen Lehrer kennen, wie ich ihn in meinem Leben bis dato noch nie kennengelernt habe: Er ruhte in sich, schien so „eins mit der Welt“, humorvoll, gerecht, streng und liebevoll und vor allem voller Respekt anderen Menschen gegenüber. Er hat uns viel gelehrt und ich bin ihm bis heute sehr dankbar. Seine Methodik-Didaktik war wirklich einzigartig und alles andere „drumherum“ hat mich stark beeindruckt.

Ihn fragte ich mal, was ihn so in sich ruhen lasse, was ihn so wach und doch so entspannt wirken ließe. „Das verdanke ich meiner Meisterin“ – ein Satz, der mich an einen blöden Scherz denken ließ und mich in den nächsten Ausbildungswochen doch mehr provozierte als ich dachte. Eine „Meisterin“! Hallo?! Schon der Begriff weckte Assoziationen mit einer Sekte und es folgte manch schlafreduzierte Nacht mit etlichen Kannen Tee, in denen wir lebhaft diskutierten.

Mein Lehrer stand seit Jahren dem „Sozialen Buddhismus“ mit Dae Poep Sa Nim sehr nahe und meine Neugier war zumindest soweit geweckt, dass ich das auch mal sehen wollte.

Kopf und Bauch voller Skepsis erlebte ich ein Wochenende mit der Meisterin und etlichen „Schülern“, vor allem aber den ersten „Belehrungen“ über das Entstehen von Leid. Das fand ich so nachvollziehbar und einsichtig und je mehr ich darüber hörte, desto weniger außerirdisch fand ich die Veranstaltung. Die Gesänge, die Rituale waren eigentlich eher schön als fremd und ich fing an, über Buddhismus die ersten Bücher zu lesen.

Ich arbeitete seinerzeit gegenüber einem Copyshop, wo eines Tages ein Reklamezettelchen aushing: Zen-Buddhistische Sitzung, jeden Montag von…bis und da dies an meinem Wohnort war, war es klar, dass ich das mal besuchen wollte.

zendo1Ich wurde von einem schwarzgekleideten und kahlgeschorenen Mann empfangen, der mir zeigte, wie ich richtig sitzen sollte und lud mich zur gleich nachfolgenden Zen-Sitzung in einem ansonsten kahlen Raum ein, in dem nur eine schöne Buddha-Statue stand, soweit ich mich erinnere.

Voller Erwartung setzte ich mich wie alle anderen vor die weiße Wand, ein Gong ertönte. Stille. Und im selben Moment ging mein Kopfkino an, in allen Farben und Tönen. Ich konnte es selbst kaum fassen, dass ich mich darauf eingelassen hatte, in unbequemer Haltung mich allen Ernstes vor eine weiße Wand zu setzen und nichts zu tun. Keine Musik, kein Vorleser, kein Buch, kein Gespräch mit dem Nachbarn, der, wie ich aus den Augenwinkeln beobachten konnte, augenscheinlich schon in Schlaf gefallen war – und das bei DIESER Haltung!

In meinem Kopf war Kirmes, ein hektischer, lauter Film, der mir Überlegungen bescherte, ob ich z.B. das Auto abgeschlossen hätte, der imaginäre Einkaufszettel für die nächsten Wochen lief ab, alles, was ich vielleicht vergessen haben könnte, was ich auf keinen Fall vergessen dürfte, was der und die gesagt, getan, gemeint haben könnte – ich war überall, gejagt von den eigenen Gedanken, nur nicht im Raum. Doch, so ganz stimmt das nicht – meine Beine, mein Rücken jagten Impulse ans Gehirn, dass die Schmerzen jetzt stärker würden, wenn ich nicht sofort die Stellung wechseln würde. Beide Füße hatten sich inzwischen als gefühllos verabschiedet und nur ein Blick nach unten ließ die Gewissheit zurück, dass sie noch da waren.

Und dann hörte ich hinter mir jemanden gehen, der irgendwann stehenblieb und dann kam es: ein Hieb wurde verteilt, das konnte nur ein Schlag gewesen sein! Und ich war starr vor Schrecken. Da wurde jemand geschlagen! Was hatte der gemacht? Oder eben nicht gemacht?

Hinterher erfuhr ich, dass man um einen gezielten, auf einen Nervenknotenpunkt zwischen Hals und Schulter gerichteten Schlag bitten konnte, wenn einem die Konzentration schwer fiel oder die Müdigkeit zu groß wurde. Ich habe einmal darum gebeten und man gab mir einen Hieb, auf den ich vorbereitet war und der tatsächlich diese – ja, angenehm wachmachende Wirkung hatte.

Was mich an diesen Zensitzungen, die ich als anerkannte Langschläferin trotzdem schon frühmorgens für ein halbes Jahr machte, nicht zufrieden stellte, war, dass ich Fragen für mich nicht befriedigend genug beantwortet bekam.

Ich habe parallel viel zum Buddhismus gelesen und je mehr ich las, desto mehr Fragen hatte ich.

Dann sah ich „zufällig“ in der Zeitung eine Ankündigung vom tibetischen Zentrum – damals noch in der Rütscherstraße.

AchiIch fuhr also hin und mich erwartete ein richtiger Kulturschock: Im Gebetsraum empfingen mich etliche Statuen, grimmige und freundliche, kleine, größere, große Buddhas, sitzende Männerfiguren mit komischen Mützen und besonders eine Figur im bunten Durcheinander fiel mir sofort auf: Sie sah aus wie eine Barbiepuppe auf einem blauen Pferd reitend. In einem buddhistischen Zentrum! Eine Barbiepuppe! Das alles wurde noch gekrönt von bunten Vorhängen, auf denen nicht nur ein Buddha abgebildet war, sondern ganze Buddha-Kränze drumherum. Und es gab sie in allen Farben! Rote Buddhas, Blaue, Weiße!

Aus der Zenrichtung kommend, aus einem kargen Raum, wo ein schweigender Buddha ruhig sitzt, das war schon – sagen wir mal – eine große Umstellung.

Aber was mich dableiben ließ, bis heute, fast 25 Jahre danach, ist nicht nur die offene Gemeinschaft, sondern die Tatsache, dass alle Fragen, die ich hatte, fast immer beantwortet wurden, und ich, egal, wo ich in meiner Entwicklung stand oder stehengeblieben war, „abgeholt“ wurde. Die freundliche Begleitung war stets da – in allen Lebenslagen und Fragen.

Und natürlich habe ich die Barbiepuppe auf dem blauen Pferd sowie die unzähligen Buddhas in ihrer Schönheit und Aussage kennen-, achten und lieben gelernt. Die anfängliche Irritation, dass buddhistische Traditionen und christlichen Kirchen Galaxien weit auseinanderliegen, ist auch verschwunden.

Einiges von Belehrungen und Zusammenhängen erschließt sich mir auch nicht auf Anhieb – aber ich lebe mit der Zuversicht und schließlich auch meiner Erfahrung, dass alles mit der Zeit eben doch nachvollziehbar und schlüssig wird. Ich freue mich jeden Tag, dass ich schon so lange und eigentlich ohne Pause nicht nur dem tibetischen Zentrum mit Ani Elke und Christian treu geblieben bin, sondern auch der Lehre Buddhas in dieser Linie. Die Lehrer, die regelmäßig das Zentrum besuchen und die kostbaren Belehrungen geben, sind ein unglaubliches Geschenk. Ich bin sehr dankbar – für alles.

Ein Mitglied des Zentrums