Neue Bücher im Mandala Dharma-Shop: König der Samadhis (Samadhiraja-Sutra)

König der Samadhis

Die enthüllte Gleichheit der Natur aller Phänomene

(Aus der englischen Übersetzung von Peter Alan Roberts ins Deutsche übertragen von Elmar R. Gruber)
Edition Garchen Stiftung, München 2021
672 Seiten, Broschur, 17,5 x 24,5 cm, 39,90 €

Es gibt inzwischen eine ganze Reihe buddhistischer Sutras in deutscher Übersetzung (im Englischen natürlich noch viel mehr), so dass man sich einen ersten Eindruck von der tatsächlichen Länge und Komplexität der Originale bilden kann, die man sonst oft nur aus berühmten Zitaten, kurzen Auszügen oder Zusammenfassungen aus zweiter Hand kennt.
Das „Sutra vom König der Samadhis“ (Samadhiraja-Sutra) ist jetzt auf Deutsch in der Edition Garchen Stiftung erschienen. Diese Edition hat sich seit einigen Jahren durch Übersetzung und Herausgabe von klassischen Texten des tibetischen Buddhismus, insbesondere der Drikung Kagyü Tradition, verdient gemacht hat, so etwa durch mehrere Bände mit Lehrreden, Unterweisungen und Klausuranweisungen von Jigten Sumgön.
Ein Blick in solch ein ungekürztes Sutra ist sehr erhellend. Irgendwo erschlagend ist er natürlich auch, denn man merkt rasch, dass ein tieferes Eindringen und ein gutes Verständnis kaum ohne Hilfestellung möglich ist. Ganz ohne Vorkenntnisse in Bezug auf die buddhistische Philosophie und Praxis sollte man sich daher nicht an die Lektüre wagen.
Aber wenn man Grundkenntnisse buddhistischer Philosophie und Praxis mitbringt, kann der Blick in einen solchen ‚Ganztext‘ näher an die Quellen (jedenfalls an die textlichen Quellen) heranführen, aus denen bis heute viele Unterweisungen und Belehrungen zur buddhistischen Lehre schöpfen. Um tiefer in einen solchen Text hineinzukommen, braucht es ein intensiveres Studium.
Die Anfänge sind bereits da. Im November und Dezember 2021 hat Khenchen Nyima Gyaltsen Online-Unterweisungen zum „Sutra vom König der Sama-dhis“ gegeben und wird diese im neuen Jahr fortsetzen. Belehrungen zu diesem Sutra gab es bisher in Europa noch nie, so dass S.H. Drikung Kyabgön Thinley Lhundup von einem sehr glückverheißenden Ereignis sprach. (siehe Programm Milarepa Retreat Zentrum – www.milareparetreat.de)
Ganz ohne Hilfestellung lässt einen die Buchausgabe aber nicht. Die Einleitung von Peter Alan Roberts bereitet die wichtigsten Informationen zur Geschichte des Sutras, zu seinem Inhalt sowie zur Übersetzung in zugänglicher Form auf.
In diesem Sutra wird der Begriff ‚Samadhi‘ nicht allein in seiner Bedeutung von Versenkung, Sammlung oder Meditation dargestellt. Samadhi bezeichnet hier auch eine ganze Reihe von buddhistischen Praktiken für Verhalten, Sichtweise, Motivation und Verwirklichung. Der Buddha schöpft in einer sehr poetischen Sprache aus der Fülle seiner Erfahrungen und berührt damit eine fast schon enzyklopädisch anmutende Breite von Themen. Hauptthema aber ist die Erkenntnis der Gleichheit aller Erscheinungen, durch die die Welt überwunden wird.
Eine Übersicht, in der Roberts die 40 Einzelkapitel inhaltlich kurz darstellt, ist sehr hilfreich, um den Aufbau dieses langen Sutras und das Spektrum der behandelten Themen zu erfassen.
Mit den Worten sollte man ernst und genau sein, ob beim Lesen, Schreiben oder Übersetzen. Aber auch wenn man den Text dereinst mal ‚erfasst‘ haben sollte, so bleibt zu erinnern: „Jemand, der an Wörtern anhaftet, wird die Bedeutung der Lehre nicht kennen.“

Geradezu eine Kontemplation über diese Grenze können folgende Verse aus Kapitel 33 sein:

Die zahlreichen unvorstellbaren Dharmas
werden durch die Verwendung von Wörtern gelehrt.
Jemand, der an Wörtern anhaftet,
Wird die Bedeutung der Lehre nicht kennen.

Wie kann jemand die Bedeutung lehren,
Der nicht die Bedeutung hinter den Wörtern kennt?
Jemand, der nicht verstanden hat, was die wahre Natur ist,
Lehrt das als den Dharma, was nicht der Dharma ist.

Die eine Bedeutung der unterschiedlichen Wörter
Der Sutras, die von mir gelehrt wurden
In Tausenden von Welten,
Ist etwas, das nicht benannt werden kann.

Durch die Kontemplation über ein einziges Wort
Wird über alle von ihnen meditiert –
All die vielen Arten von Dharma, die von so vielen
Buddhas gelehrt wurden, wie viele es auch immer gegeben hat.

Für die Menschen, die die Bedeutung gemeistert haben,
Dass alle Phänomene nicht selbsthaft sind,
Werden, wenn sie dieses Wort verstanden haben,
Die Dharmas des Buddhas nicht schwer zu erlangen sein.

Alle Phänomene sind der Dharma des Buddhas.
Diejenigen, die die Natur der Phänomene verstanden haben,
Kennen die Natur der Phänomene
Und widersprechen nicht der Natur der Phänomene.

Alle Wörter sind die Wörter des Buddhas
Da alle Wörter keine Substanz haben.
Obwohl man sie in den zehn Richtungen sucht,
Werden die Wörter des Buddhas nicht gefunden werden.

Diese Wörter sind die Wörter des Buddhas.
Obwohl man sie in den zehn Richtungen sucht,
Sind diese unübertrefflichen Wörter nicht zu finden.
Sie wurden nie gefunden und werden nie gefunden werden.

 

Auszug aus der Einleitung von Peter Alan Roberts

Das Samadhirajasutra oder Sutra vom König der Samadhis ist eines der früheren Mahayana-Sutras, die in Indien erschienen sind. Es enthält Belehrungen über Leerheit, Bodhisattva-Verhalten und asketische Praktiken sowie Erzählungen über frühere Leben und Prophezeiungen für die Zukunft. Seine Lehre über die Leerheit wird von Madhyamaka-Meistern wie Candrakirti und Shantideva sowie in der späteren buddhistischen Literatur häufig zitiert.

Das Samadhi des Titels bezieht sich nicht einfach auf Meditation, sondern wird verwendet, um sowohl das Sutra selbst als auch eine ganze Reihe von buddhistischen Praktiken für Verhalten, Meditation, Motivation und Verwirklichung zu bezeichnen. Das Sutra zählt über dreihundert der Qualitäten des Samadhi auf. Eines der wichtigsten beschreibenden Beiwörter des Samadhi wird in der langen Form des Titels ‚Die enthüllte Gleichheit der Natur aller Phänomene‘ angegeben. Das Sutra ist jedoch weit davon entfernt, ein systematisches Lehrbuch über die Merkmale einer bestimmten Praxis oder Doktrin zu sein, sondern hat eine komplexe, verschlungene Struktur und enthält lange erzählende Passagen. Diese berichten nicht nur von den Interaktionen des Buddhas mit Candraprabha, dem Hauptgesprächspartner. Sie präsentieren auch ausführliche Geschichten in gemischter Prosa und Versen aus den vergangenen Leben des Buddhas, die jene Punkte veranschaulichen, die er lehrt, und zwar tun sie dies in seinen eigenen Worten. Eingestreut in diese Erzählungen finden sich – oft in Form von Belehrungen in Versen, die von vergangenen Tathagatas gegeben wurden – einige der tiefgründigen Aussagen über die Natur der Phänomene und über die essentiellen Punkte des Pfades, für die das Sutra zu Recht gefeiert wird.

Die Geschichte des Sutras
Wie bei den meisten Sutras ist es unmöglich, mit Sicherheit zu sagen, wann dieses Werk zum ersten Mal schriftlich niedergelegt wurde. Tatsächlich ist das Sutra höchstwahrscheinlich eine Zusammenstellung von früheren kürzeren Werken. Keines der vollständig erhaltenen Sanskrit-Manuskripte kann auf die Zeit vor dem 6. Jahrhundert datiert werden. Es gibt jedoch einen Hinweis darauf im Sutrasamuccaya, einem Werk, das Nagarjuna (2. oder 3. Jh.) zugeschrieben wird, obwohl die Zuschreibung nicht allgemein akzeptiert wird. Es wird sogar behauptet, das Sutra vom König der Samadhis sei im Jahr 148 ins Chinesische übersetzt worden, aber auch das ist umstritten. Die Erwähnung eines Samdhiraja in Asangas Mahayanasamgraha aus dem 4. Jahrhundert könnte ein Hinweis sein. […]

Zusammenstellung von Rolf Blume