Buchtipp: Frauen in buddhistischen Traditionen

 

Karma Lekshe Tsomo

Frauen in buddhistischen Traditionen

Norbu Verlag, Lenzkirch 2024

308 Seiten, Softcover, 22 x 14,7 cm

ISBN 978-3-944885-40-7

29 €

 

„Die buddhistischen Lehren und Traditionen sind zunehmend grenzüberschreitend, und viele überholte Einstellungen stehen zur Überprüfung an. Ein Hauptproblem ist der scheinbare Widerspruch zwischen den innerlich egalitären Organisationsstrukturen, wie sie von den frühen Bhikkhu und Bhikkhuni Sanghas vorgelebt wurden und den hierarchischen Strukturen vieler buddhistischer Institutionen heute. Die buddhistischen Texte und Lehren bieten Lösungen für viele Formen des Leids. Sie gehen allerdings nicht ausdrücklich auf die strukturellen Ungleichheiten ein, die den vielen Formen des Leidens und der Ungerechtigkeit zugrunde liegen. Es wird gesagt, das letztendliche Ziel der buddhistischen Praxis, das Erreichen der Befreiung, sei jenseits von Geschlecht, aber auf der praktischen Ebene ist das Geschlecht sehr wichtig.“ (S. 34)

„Frauen in buddhistischen Traditionen“ lautet der etwas trocken anmutende Titel des jetzt auf Deutsch erschienen Buches der buddhistischen Nonne, sozialen Aktivistin und Professorin für buddhistische Studien Karma Lekshe Tsomo (1944 als Patricia Zenn in Delaware geboren). Sie ist Mitbegründerin von „Sakyadhita“ (International Association of Buddhist Women) und Gründungsdirektorin der „Jamyang Foundation“, die die Ausbildung von Frauen und Mädchen in der Himalaya-Region, den Chittagong Hill Tracts in Bangladesch und anderswo unterstützt. Sie nahm 1977 in Frankreich die Novizengelübde und erhielt 1982 in Korea die volle Ordination als buddhistische Nonne.

Durch ihren religiösen Werdegang, ihr soziales Engagement und durch ihre Professur ist sie mit dem Thema, über das sie schreibt, aus eigener Erfahrung und aus einer breit angelegten akademischen Forschung bestens vertraut. Ihr Buch tritt dabei für die Frauenbewegung im Buddhismus ein, kommt aber ohne polemischen Ton und politische Agitation aus.

Lekshe Tsomo geht ihr Thema schwerpunktmäßig historisch und geographisch an und schaltet immer wieder Beispiele bedeutender praktizierender Frauen ein. Es geht ihr also nicht um die Stellung der Frauen in dem Buddhismus, den es als eine homogene Einheit nie gegeben hat. Vielmehr verfolgt Lekshe Tsomo, welchen Stellenwert Frauen in buddhistischen Texten, in klösterlichen Strukturen und darüber hinaus in allgemeinen buddhistisch-sozialen Zusammenhängen einnehmen. In den verschiedenen asiatischen und – seit jüngerer Zeit auch europäischen – Traditionen bestehen hier Unterschiede, die man nicht durch das Pauschalurteil „Benachteiligung“ verwischen sollte.

„Der Buddhismus ist keine in sich geschlossene Tradition, sondern eine Sammlung von Überlieferungen, welche die Entwicklung und Anpassung der Lehren des Buddha, die sich seit über zweitausend Jahren in den Ländern Asiens verbreitet haben, widerspiegeln. Als diese Lehren übersetzt und in die Sprachen und Kulturen der neuen Länder verbreitet wurden, behielten sie einen Kern von zentralen Ansätzen bei, wohingegen sie andere umwandelten.“ (S. 141)

Wie sehr das Trennen von ‚Kern‘ und ‚kultureller Zutat ‘ ein lebendiges und konfliktvolles Ringen ist, kann man erfahren, wenn man Lekshe Tsomo auf ihrer Reise durch Länder und Epochen folgt. In den Kapiteln 1-4 stehen die asiatischen Traditionen im Vordergrund: „Frauen im frühen indischen Buddhismus“; „Buddhistische Frauen in Süd- und Südostasien“, „… in Ostasien“ und „… in Innerasien“. Kapitel 5 widmet sich den „Buddhistische[n] Frauen im Westen“.

Dem traditionsübergreifenden Problem der „Ordination von Frauen in verschiedenen Kulturen“ sowie dem Thema „Buddhistische Frauen und sozialer Aktivismus“ gehen die letzten Kapitel nach.

Wenn die Autorin scheinbar lapidar sagt: „Die Rolle der Frauen im Buddhismus ist vielschichtig“, so gelingt es ihrer ausführlichen Darstellung, diese Vielschichtigkeit nicht nur klischeehaft zu behaupten, sondern auch mit einer Fülle von Material lebendig werden zu lassen und der Versuchung zu widerstehen, „in vereinfachende Stereotype über asiatische und nicht-asiatische buddhistische Frauen zu verfallen.“ (S. 15)

In der „Schlussfolgerung“ am Ende des Buches schreibt sie: „Ohne ernsthafte Neubewertung und kritische Reflexion der schädlichen Auswirkungen der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern läuft auch der Buddhismus Gefahr, in der modernen Welt bedeutungslos zu werden; ein kurioses Artefakt aus früheren Zeiten. Damit buddhistische egalitäre Ideale über das Reich von Ideen hinaus in die soziale Realität gelangen können, bedarf es jedoch einer völligen Neugestaltung der Geschlechterbeziehungen in buddhistischen Institutionen und buddhistischen sozialen Zusammenhängen im weiteren Sinne.“ (S. 239)

Welch weiten Weg es bedeutet, die Tradition(en) neu zu überdenken und das Verhältnis der Geschlechter – spirituell wie sozial – gleichgewichtiger zu gestalten, wird bei der Lektüre von Lekshe Tsomos Buch deutlich.

Ein für unsere Gegenwart sehr erhellendes Buch!

Rolf Blume

Das Buch ist im Mandala Dharma-Shop vor Ort sowie über den Online-Shop erhältlich.