BUCHTIPP – Ajahn Brahm: Wie hilft der Bär beim Glücklichsein?

Mit Stoff-tieren medi-tieren?

Ajahn Brahm
Wie hilft der Bär beim Glücklichsein?
Fragen und Antworten für den buddhistischen Weg zu einem achtsamen und erfüllten Leben
Lotos Verlag, München 2018
270 Seiten, 18 €

Wenn dir das Meditieren mal so richtig schwerfällt, kannst du dir einen Teddy auf den Schoß setzen. Mit einem Bärchen gelangst du gleich in viel größere Tiefe! Aber so ein Teddy kann auch eine echte Stütze sein, wenn du gerade mal nicht meditierst. Angenommen etwa, du hockst in Büro und bist motzig und grummelig. Dann kannst du das Bärchen in den Arm nehmen und dich erkundigen, ob überhaupt Grund für irgendeine nagende Kritik besteht. Der Teddy wird dich daran erinnern, sanft und gütig zu sein. Es muss sich auch gar nicht um ein Plüschtier handeln. Ein Foto deines Lieblingsmönchs oder etwas anderes, das dich an Güte, Loslassen und Vergebung erinnert, tut es auch. Also nimm deinen Teddy in den Arm oder schau dir das Foto an und lass dich wieder von Freundlichkeit und Nettigkeit überfluten.
Ajahn Brahm

Buchtitel werden häufig vom Verlag und nicht vom Autor entworfen. Bei manchen Büchern kann also der Blick auf den Titel der Originalausgabe von Nutzen sein. Die amerikanische Ausgabe von „Wie hilft der Bär beim Glücklichsein?“ heißt nämlich: „Bear Awareness – Questions and Answers on Taming Your Wild Mind“. Damit ist auch auf die Bärenkräfte angespielt, die es vielleicht dann und wann braucht, um die Wildheit des eigenen Geistes zu zähmen, und nicht nur auf den Teddy, den man sich auf den Schoß setzen kann.
Aber es geht in diesem Buch um beides: um Themen und Fragen, die Anfänger in Meditation und Buddhismus beschäftigen und hilfreich für sie sind, wie auch schon um einige spannende Einblicke in das, was in der späteren Meditationspraxis und buddhistischen Lehre kommt.
Zusammengestellt wurde dieses Buch aus den vielseitigen und erhellenden Fragen und Antworten während der Retreats, die Ajahn Brahm (Jahrgang 1951, Physikstudium in Cambridge, seit über 40 Jahren buddhistischer Mönch der thailändischen Waldtradition) im australischen Jhana Grove Retreat Centre abhielt. Neben ganz elementaren Fragen wie „Was ist eigentlich Metta?“ werden auch Fragen besprochen, die spezifischer für eine vom Theravada-Buddhismus geprägte Meditation sind, so etwa: „Was hältst du davon, dass man nicht den Atem als Objekt der Wahrnehmung nimmt, sondern Kasinas?“ oder „Wodurch unterscheidet sich die Praxis der Puthujjanas von der der Ariyas?“ In dem Glossar am Ende des Buches lassen sich solche Begriffe leicht nachschlagen und Brahms Erklärungen fallen immer lebendig, verständlich und praxisnah aus, auch wenn nicht alles für komplette Einsteiger geeignet ist. Wer jedoch ein paar Grundkenntnisse mitbringt oder seinen Schwerpunkt in einer anderen Tradition hat, trifft in diesem Buch immer wieder auf Goldkörner, nicht nur auf ‚Flauschiges‘. Manche Fragen drehen sich um negative und angstvolle Erfahrungen – auch in der Meditation – oder darum „Was geschieht eigentlich beim Sterben?“ und um viele weitere Aspekte. In Brahms Antworten kommt stets seine langjährige Vertrautheit besonders mit dem Theravada- Buddhismus zum Ausdruck. Bekannt geworden ist Ajahn Brahm mit seinen „Buddhistische[n] Geschichten über den Weg zum Glück“ („Die Kuh, die weinte“, u.a.). Sein Talent zu  ebendigen und dichten Erzählen findet sich auch in „Wie hilft der Bär …?“. Spannend ist da beispielsweise, was er über „Dämonen und Devas“ zu berichten hat …

Kurz: trotz des deutschen Titels, der etwas von den vielen Glücksratgebern auf dem heutigen Buchmarkt inspiriert sein dürfte, ein inhaltsreiches und anregendes. Buch, um dem eigenen Verständnis der buddhistischen Lehre und Praxis einige lebendige Akzente hinzuzufügen. Dass ein Buch, das einer Retreat- Situation entspringt, die eigene Erfahrung nicht ersetzten kann, braucht sicher nicht hinzugefügt werden.

PS: … und manchmal im Leben braucht man eben doch einen Teddy.
Rolf