Ein paar Gedanken und Erinnerungen zum Vesakh-Fest im Buddhistischen Zentrum
Buddhas Geburt, Erleuchtung und Eingang ins Nirvana wird an Vesakh gefeiert. Dies ist von der Bedeutung des Festes her fast so, als würden Weihnachten, Karfreitag und Ostern auf einen Tag fallen. Ein ‚hohes’ Fest also. Kein schweres und ernstes, das man gesenkten Hauptes und Gemütes durchsteht, aber auch keine Party. Ein Fest hat seine feste Stelle im Kalender und seinen feststehenden Anlass, mag er auch dann und wann von der Feststimmung übertönt werden.
Für viele, auch solche, die dann in späteren Jahren dem Buddhismus näher gerückt sind, wird Weihnachten das Fest sein, bei dem in der Erinnerung zusammenkommt, was mit dem Wort „Fest“ fest verbunden ist. Zeit, Anlass, ‚Ritual‘, Zusammenkunft, die besondere nicht-alltägliche ‚Gestimmheit‘. … der Baum mit den Kerzen (wir hatten ‚echte’ Kerzen, der Onkel nur elektrische), das besondere Weihnachtsessen mit der Familie, die Filme, die nur Weihnachten kamen (ein Internet gab es noch nicht), hin und wieder der Besuch der Christmette, und natürlich die Geschenke.
Vieles kommt bei so einem tief in die Kindheit reichenden Fest zusammen, aber schwebend über und duftend aus allen einzelnen Bildern bleibt die Atmosphäre, die Aura, die ein Fest nur in der Kindheit und in der Erinnerung haben kann und die es heraushebt aus dem Getriebe und Geschiebe der ’gewöhnlichen Zeit’.
Was hat das mit Vesakh zu tun, einem Fest, das für die meisten hierzulande nicht in die Kindheit reicht und daher sozusagen ein ‚erwachsenes Fest‘ ist ? Was macht man an Vesakh? 2014 in der Oppenhoffallee 23?
Mitglieder und Freunde des Zentrums und des Buddhismus haben sich getroffen. Etwas Zeremonie und Ritual – sehr schön – war auch dabei.
Gustel Schreurs – Gustel kann halt sehr ein- und mitnehmend vorlesen – hat Geschichten aus Buddhas Leben vorgetragen und die Zuhörer in diese Welt versetzt, die weit weg scheint, aber irgendwo auch hierzulande schon näher gerückt ist.
Gespräche, gemeinsames Essen, Beisammensein ‚im Zeichen des Buddha’. Ein Fest im Jahr 2014, kein großes, aber ein schönes, unverkrampft und ohne Steifheit.
Als ich – zu Studiumszeiten – meine Wohnung in Aachen bezog, fand ich im Keller ein paar zurückgelassene Bücher meines Vormieters. Darunter eines der hübschen schmalen Bändchen des Kösel-Verlags, die in der Nachkriegszeit recht verbreitetet waren: Josef Piepers philosophisch-theologische Zeitdiagnose „Muße und Kult“ (1948).
„Muße“ ist außer Gebrauch gekommen. Das Wort und das, was es meint, wohl ebenso. Muße liegt für uns irgendwo zwischen Freizeit und Langeweile. Ein altbackenes Wort eben. Die Kombination Muße und Kult wirkt befremdlich. Gelesen habe ich das Büchlein erst Jahre später.
Die moderne Arbeits- und Konsumwelt lässt, wie Pieper darstellt, immer weniger Lücken und Zwischenräume, in denen sich der Mensch sammeln und seinen Geist auf etwas lenken kann, was nicht Erwerb, begehrlicher Konsum kombiniert mit Angst vor Verlust ist. Das ist seit Mitte des 20. Jahrhunderts nicht besser geworden. Freizeit (und arbeitsfreie Zeit ist nicht schon Muße; Muße müssen wir vielleicht sogar erst wieder lernen) dient der Regeneration, der Unterhaltung, der Ablenkung von der Arbeitswelt, ohne wirklich von ihr loszukommen.
Eine Party ist kein Fest. Ein Fest – auch ein leichtes, heiteres, freudiges – tritt aus dem Alltagsgetriebe heraus und öffnet sich einem anderen Raum, der irgendwo ‚nicht von dieser Welt’ (die im Buddhismus „Samsara“ genannt wird) ist. Und weil es eine Form ist, sich diesem Raum zu öffnen, hat es etwas mit ‚Kult’ zu tun.
Meditieren kann man alleine, ein Fest feiern nicht.
Das lateinische Verb „colere“ von dem „Kult“ ebenso wie „Kultur“ abstammen, bedeutet „(be)bauen; pflegen, üben; schmücken, veredeln; verehren“. Das tibetische Wort für Meditation heißt „gom“, was soviel besagt wie „gewöhnen, Gewöhnung“.
Meditieren ist nicht nur ‘Versenkung’, sondern eine Form der Übung, der ‘Kultivierung’, die das ‘geistige Alltagsgetriebe’ abstellt (dies zumindest versucht) und sich dem anderen Raum öffnet.
Meditation und Fest, Muße und Kult.
Vesakh – 2014 – Oppenhoffallee 23
Rolf Blume