Erinnern, Gedenken, im Bewusstsein halten

Ein kurzer Rückblick auf die diesjährige Vesakh-Feier

Sati (Pali; Sanskrit: smriti) bedeutet wörtlich „Erinnerung“ oder „im Bewusstsein halten“; oft wird es als „Achtsamkeit“ übersetzt.
Wozu aber überhaupt Erinnern und Gedenken – Wozu Zurückblicken in schnelllebiger Zeit?
Oft liest oder hört man: Lebe in der Gegenwart! – Sei achtsam auf das Jetzt! – Hänge nicht an der Vergangenheit! usw.? Ist es da nicht unnötig und unnütz, sich mit Dingen zu beschäftigen, die nicht mehr oder noch nicht sind?!

Der taoistische Philosoph Dschuang Dsi (um 365 – 290 v. Chr.) belehrt über die „Die Notwendigkeit des Unnötigen“ in einem schönen Bild:
Hui Dsi sprach zu Dschuang Dsi: „Ihr redet von Unnötigem.“
Dschuang Dsi sprach: „Erst muss einer das Unnötige erkennen, ehe man mit ihm vom Nötigen reden kann. Die Erde ist ja weit und groß, und doch braucht der Mensch, um zu stehen, nur soviel Platz, dass er seinen Fuß darauf setzen kann. Wenn aber unmittelbar neben dem Fuß ein Riss entstünde bis hinab zu der Unterwelt, wäre ihm dann der Platz, worauf er steht, noch zu etwas nütze?“
Hui Dsi sprach: „Er wäre ihm nichts mehr nütze.“
Dschuang Dsi sprach: „Daraus ergibt sich klar die Notwendigkeit des Unnötigen.“
(in: „Das wahre Buch vom südlichen Blütenland“, Buch XXVI, 7)

Wir setzen unseren Fuß achtsam auf den Augenblick. Mehr Platz haben und brauchen wir nicht. Es ist immer der Augenblick und nur der Augenblick, der jetzt ist – die Gegenwart und das Gegenwärtige.
Aber um einen Weg zu gehen, müssen wir um uns blicken, müssen wir vor und zurück schauen. Wo wir herkommen, wo wir hingehen – dazwischen liegt unser Standort. Und: Wäre uns unser Stand-Ort ohne Herkommen und Hingehen „noch zu etwas nütze“?

Die großen Feiertage im tibetischen Kalender
Die vier großen Feste des Jahres (nach dem tibetischen Kalender) beziehen sich auf das Leben des Buddha Shakyamuni und den Weg, den er gegangen ist.

  • Chotrul Düchen (15. des ersten Monats) – Das Zeigen von Wundern.
  • Saga Dawa Düchen (15. des vierten Monats) – Der Geburtstag des Buddha (7.), der Tag seiner Erleuchtung (15.) und des Parinirvana (15.) sind alle im besonderen Monat Saga Dawa.
  • Chökhor Düchen (4. des sechsten Monats) – Das erste Drehen des Dharma-Rades. Dabei lehrte der Buddha die vier edlen Wahrheiten.
  • Lhabab Düchen (22. des neunten Monats) – Die Herabkunft von Buddha Shakyamuni aus dem Götterhimmel, wo er drei Monate mit dem Geben von Belehrungen verbrachte.

Das Vesakh-Fest ist das höchste buddhistische Fest. Es ist die Feier der Geburt, der Erleuchtung und des Todes (Eingang ins Parinirvana) des Buddha. Alle drei Ereignisse haben der Überlieferung nach in einer Vollmondnacht (14./15.) im Monat Vesakha stattgefunden; das entspricht in etwa unserem Monat Mai. Deshalb wird Vesakh in den meisten buddhistischen Ländern und im Westen am (ersten) Vollmondtag im Monat Mai gefeiert.

An diesem höchsten buddhistischen Feiertag wird in den Theravada-Ländern besonders Gebefreudigkeit geübt, den Klöstern wird gespendet, Arme und Bedürftige werden gespeist, Tiere werden an diesem Tag nicht getötet oder geschlachtet, sondern oft freigelassen, Gefangene werden begnadigt.

Vesakh-Feiern finden auch in vielen buddhistischen Gemeinschaften in Deutschland statt. Große, öffentliche Feste gibt es z.B. in größeren Städten. Im Jahr 1999 wurde die herausragende Bedeutung von Vesakh als Teil des Weltkulturerbes von den Vereinten Nationen gewürdigt: Es wurde als internationaler buddhistischer Feiertag anerkannt.

Vesakh ist eine Besinnung auf Buddha Shakyamuni und die Wurzeln des Buddhismus. Die Vesakh-Zusammenkünfte und -Feiern beleben das Gemeinschaftsgefühl des Sangha und all derjenigen, die sich vom buddhistischen Weg berührt fühlen.

Vesakh-Feier in unserem Zentrum

Im Aachener Zentrum haben wir Vesakh am 3. Juni gefeiert. Da die Einschränkungen durch die Coronamaßnahmen nun Vergangenheit sind, konnten wir in diesem Jahr endlich auch wieder in die Räume in der Oppenhoffallee 23 einladen. Online-Teilnahme war dennoch weiter möglich. Etwa zehn Personen haben an diesem sonnigen Samstagnachmittag den Weg ins Zentrum gefunden. Zwei hatten sich von auswärts online dazugeschaltet.

Das Programm begann mit kurzen Lesungen aus dem Buch „Prinz Siddharta – Das Leben des Buddha“ von Jonathan Landaw. Es handelt sich um ein Kinderbuch, ist aber in einer schönen und schlichten Sprache geschrieben, die ohne ‚pädagogischen‘ oder gewollt kindlichen Tonfall auskommt. Wechselnde Teilnehmer haben diejenigen Abschnitte vorgelesen, die mit dem Vesakh-Fest in Verbindung stehen. Man konnte ruhig zuhören und die Bilder und Beschreibungen im eigenen Inneren lebendig werden lassen.

Mit einem ‚innerlichen‘ Teil ging es weiter, nämlich einer Buddha Shakya­muni Meditation, in der die Präsenz von Buddha Shakyamuni vergegenwärtigt und sein Mantra TADJAT’Ā/ OM MUNE MUNE MAHĀ MUNA JE SWĀHĀ rezitiert wurde.

Ein buddhistisches Quiz mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden schloss sich an. So erfuhr man den Stand seiner buddhistischen Allgemeinbildung und konnte einige schöne Preise – von Buch bis Gebetsfahnen – gewinnen. Leer ist dabei keiner ausgegangen.

Zum Abschluss wurden die mitgebrachten Speisen und Getränke dargebracht und verteilt. Das gemeinsame Essen und Trinken belebte das Gespräch. Manche Teilnehmer hatten sich länger nicht gesehen, so dass Vesakh auch ein Wiedersehn war.

Die Feier war bis 17.00 Uhr angesetzt. Dass wir etwas überzogen haben, hat keinen, der dabei war, gestört.

Eine Broschüre mit einem Überblick über die wichtigsten buddhistischen Feste und Feiertage sowie kurzen Erläuterungen ist im Mandala Dharma-Shop erhältlich:

Buddhistische Feste und Feiertage
Best.-Nr.: 100-001-a5-de
A5-Broschüre
8 Seiten
1€

Rolf Blume