Neues Praxis- und Studienprogramm

Rezitationen und Gebete im tibetischen Buddhismus

In den buddhistischen Klöstern finden regelmäßige Rituale statt, in denen die Lehren des Buddha durch Rezitationen von Texten und andere Übungen lebendig gehalten werden. Diese Methoden lassen sich auch im westlichen Alltag anwenden. Da wir nicht so viel Zeit haben, um sie täglich durchzuführen, bieten wir zu bestimmten Anlässen oder in regelmäßigen Abständen die Möglichkeit, an diesen Übungen teilzunehmen. Dazu stehen kürzere und längere Zusammenstellungen zur Verfügung, die in deutscher Sprache mit der Lautschrift der tibetischen Textversionen vorliegen. Über die Jahre entwickelt sich eine kraftvolle Praxis, die einen vielfachen Nutzen bewirken kann. Daher führen wir diese Methoden seit vielen Jahren in unserem Zentrum gemeinsam aus und möchten diese Tradition auch in der Zukunft fortsetzen. Während fortgeschrittene Praktizierende die Übungen anleiten, können die TeilnehmerInnen nach und nach die einzelnen Schritte kennenlernen und durch ihre persönliche Praxis auch im Alltag anwenden. Für die Beantwortung von Fragen stehen uns Abschriften von Unterweisungen zur Verfügung, die in ergänzenden Seminaren mit den Erklärungen zur Praxis besprochen werden.

In diesen Übungen sind die drei Juwelen – Buddha, Dharma, Sangha – und die Zufluchtsobjekte des Vajrayana – Guru, Deva und Dakini – sowie die Schützer des Dharma enthalten. Durch die Praxis erhalten wir den Segen und Schutz, den wir für unsere Entwicklung auf dem Pfad benötigen, um Hindernisse zu überwinden und der Praxis eine stabile und alles-umfassende Grundlage zu geben. Neben den verschiedenen Meditationen, die für eine gewisse Zeit ausgeführt werden, sind diese Zusammenstellungen eine Stütze auf allen Stufen des Pfades.

Während die Guru Puja alle Stufen des fünfteiligen Mahamudra-Pfades umfasst, sind in der Dharmapala-Puja Darbringungen an alle Objekte der Zuflucht, insbesondere an die spirituellen Meister, Devas, Dakinis und Dharma-Schützer des Vajrayana enthalten, durch die wir mit allen in Verbindung bleiben. Weitere Darbringungen dienen dazu, Hindernisse zu befrieden, um die fühlenden Wesen zur Befreiung führen zu können. Die Praxis des Chöd ist eine sehr kraftvolle Methode, um Verdienst anzusammeln, geistige Hindernisse zu überwinden und den Geist zur Ruhe zu bringen.

Wenn wir Unterweisungen aus Sutra und Tantra und entsprechende Übertragungen des Vajrayana erhalten haben, können die verschiedenen Aspekte in die Praxis einfließen. In diesem Jahr werden wir die Übungen, die seit der Gründung des Zentrums gemeinsam ausgeführt werden, besprechen, um die Ausführung und Bedeutung deutlich zu machen. Man kann an allen oder auch nur an einzelnen Seminaren teilnehmen.
(siehe Praxis- und Studienprogramm 1 sowie die Ankündigung der einzelnen Seminare)

Rezitationen am Morgen

Die Guru Puja des Kyobpa Jigten Sumgön
Eine wichtige Methode im tibetischen Buddhismus ist die Praxis des Guru Yoga (tib. Lame Naljor)[1], in der man den Segen der Übertragungslinie erhält. Die Sadhana (Meditationsanleitung) der Guru Puja (tib. Lama Chöpa)[2] beinhaltet Gebete und Meditationen, die verschiedene Stufen des Pfades umfassen und aus Texten der Sutras und Tantras für die regelmäßige Praxis zusammengestellt wurden. Es gibt kürzere und längere Zusammenstellungen. Die Texte können in tibetischer oder deutscher Sprache rezitiert werden.

Die Guru Puja des Kyobpa Jigten Sumgön wird in den Drikung Kagyü Klöstern morgens gemeinsam rezitiert. In unserem Zentrum wird diese Praxis häufig an besonderen Tagen (z.B. den Jahrestagen der Gründer der Linie), an Praxistagen sowie bei Retreats und Wochenendseminaren durchgeführt. Die verwendeten Texte entsprechen der Überlieferung, wie sie auch in den Drikung-Klöstern in Tibet und Indien bekannt ist.

Die Guru Puja des Kyobpa Jigten Sumgön bezieht sich auf den Gründer der Drikung Kagyü Tradition. Kyobpa Jigten Sumgön war ein vollkommen erleuchteter Meister und rief vor mehr als 800 Jahren diese Linie ins Leben. Wenn wir die Meditation mit Vertrauen und Hingabe ausführen, werden die geistigen Verschleierungen, die durch unheilsame Handlungen von Körper, Sprache und Geist angesammelt wurden, gereinigt und wir legen die Ursachen zur Erlangung der Buddhaschaft.

In unserem Zentrum wird eine ausführliche Rezitation im Zusammenhang mit Praxistagen, Retreats und Wochenendseminaren durchgeführt, sodass die Praktizierenden die Möglichkeit haben, von Zeit zu Zeit daran teilzunehmen. Außerdem findet zu besonderen Anlässen eine festliche Darbringung in Form einer Ganapuja statt.

Kyobpa Jigten Sumgön
(1143-1217): Gründer der Drikung Kagyü Tradition. Er war der Herzenssohn von Phagmodrupa und weithin als eine Inkarnation von Nagarjuna anerkannt. Zu seinen berühmtesten Schriften zählen: ‚Die eine Intention‘ oder ‚Das einzige Ansinnen‘ (tib. Gongchig) und ‚Herzessenz der Mahayana-Lehren‘ (tib. Thegchen Tenpe Nyingpo). Jigten Sumgöns Werke sind in einem äußeren Khabum (fünf Bände) und einem inneren Khabum (vier Bände, die sehr geheim waren) enthalten.

Wenn man einige seiner Schriften kennt, entwickelt sich auch darüber eine Verbindung, der zur Vertiefung der Praxis des Guru Yoga beiträgt. Außerdem gibt es zahlreiche inspirierende Gebete, die im Zusammenhang mit Jigten Sumgön verfasst wurden[3]. In „Bedeutungsvolle Betrachtung“, der Lebensgeschichte von Jigten Sumgön, wie sie von Chenga Sherab Jungne verfasst wurde, heißt es[4]:

Da er immer sagte: „Wer Hingabe hat, auch wenn er weit entfernt,
sogar in Indien oder China ist, wird nie von mir getrennt sein“,
wird also sicherlich, wenn er die Verbindung aufrechterhält,
sofort nach dem Tod im Buddha-Land von Sukhavati (tib. Dewachen)
geboren werden.“

Der kostbare, erhabene, spirituelle Meister sagte:
„Generell, wer meinen Namen hört,
wird aus den drei niederen Bereichen befreit.
Besonders diejenigen, die mich von Angesicht zu Angesicht sehen
und meine Lehren hören, werden befreit.
Wer in Drikung Thil stirbt,
wird nicht in den drei niederen Bereichen geboren.“
Zuversichtlich gab er dieses große Versprechen.

In dem kostbaren Kommentar
‚Der glorreiche König, der im Raum schwebt’ heißt es:
„Oh Sangha, höre auf diese Worte.
Wenn ihr Vertrauen habt,
warum solltet ihr Samadhi nicht erreichen?
Wenn ich euch täusche, werde ich selbst zu Schaden kommen.“ […]

Diese (Tugend und Untugend)
sind die Wurzel von Samsara und Nirvana.

Sie bilden die Trennlinie zwischen dem, was angenommen
und dem, was aufgegeben werden muss.

Das ist der Punkt, der Gelehrte durcheinanderbringt.
Das ist der Punkt, an dem Fehler und gute Qualitäten verborgen sind.
Das ist der Punkt, an dem die Intelligenten verwirrt sind.
Das ist der Punkt, an dem Kämpfer stolpern.
Es gibt viele Arten, dies zu erklären. […]

Deshalb gilt für alle von uns: Wenn es keine Hindernisse
für unsere Hingabe zum spirituellen Meister gibt,
ist es sicher, dass wir augenblicklich nach unserem Tod
zu Füßen des kostbaren, erhabenen Herrn der Wesen erscheinen,
ohne in den Bardo einzutreten.

 

Weitere Informationen:
https://drikung-aachen.de/die-drikung-kagyue-linie/
https://drikung.de/kurze-darstellung-der-entwicklung-der-drikung-kagyue-linie/
https://drikung.de/kurze-biografie-von-drikung-kyobpa-jigten-sumgoen/

Rezitationen am Abend
Zur regelmäßigen Praxis der Dharmapala-Puja sowie des Chöd werden wir in den folgenden Rundbriefen berichten.

Dieser Artikel wurde zusammengestellt aus:
https://drikung-aachen.de/rezitationen-und-gebete-im-tibetischen-buddhismus/

Tändsin T. Karuna

 

[1] Guru Yoga (tib.: Lame Naljor): eine Meditationspraxis, um den Segen der Übertragungslinie zu erhalten, eine der wichtigsten Übungen im Vajrayana. Durch diese Meditation erkennt man, dass der eigene Geist untrennbar vom Geist des spirituellen Meisters und der letztendlichen Wirklichkeit ist und man erhält den Segen der vier Buddha-Körper.
[2] Guru Puja (tib. Lama Chöpa): eine Meditationsanleitung (skr. Sadhana), die Gebete und Meditationen aus Sutras und Tantras beinhaltet und verschiedene Stufen des Pfades umfasst.
[3] Den spirituellen Meister aus der Ferne herbeirufen – Gebete und Lobpreisungen an den Erhabenen Jigten Sumgön, DKV Aachen
[4] Auszüge aus: Die Großen Kagyü-Meister – Die Schatzkammer der goldenen Übertragungslinie. DKV, auch als Broschüre)