Wenn nicht dies – dann nicht jenes

Ein kurzer Rück- und Vorblick auf die Unterweisungen zur Lehre vom „Entstehen in Abhängigkeit“ mit Khenpo Chökyab

Im Juni 2023 hat Khenpo Chökyab seine Unterweisungen über die Lehre vom „abhängigen Entstehen“ begonnen. Im Juni 2024 wird er sie in einem weiteren Wochenendseminar fortsetzen und uns einen gut fundierten Einblick in diese zentrale Dharma-Lehre geben.

Das „Rad des Lebens“ (skr. Bhavachakra) enthält eine bildhafte Darstellung der „zwölf Glieder des Abhängigen Entstehens“ (skr. Pratityasamutpada, tib. Tenjung). Es ist eine sehr populäre Darstellung wichtiger Aspekte dieser Lehre. Bilder des Lebensrades finden sich oft in den Eingangsbereichen der Klöster, wo sie den Besuchern diese Lehre auf eine anschauliche Weise präsentieren sollen. Aber diese bildhaft-anschauliche Ebene vermittelt bei weitem nicht alle Aspekte.

Ein paar Ausschnitte aus Khenpo Chökyabs Ausführungen im Jahr 2023, die wir in Bild und Ton aufgezeichnet haben, mögen dies zeigen. (Khenpo Chökyab lehrt auf die Tibetisch. Den Stil der gesprochenen Rede ‑ der Übersetzung ‑ haben wir hier weitgehend beibehalten.):

„Wenn man unter den vielen Dharmas die Essenz herausstellen möchte oder sich auf die Essenz all dessen beziehen möchte, so betrifft die höchste Aussage dieses wechselseitige Bedingtsein. In einem Text findet sich eine Aussage, die einen Hinweis darauf gibt, wie wichtig diese Lehre vom wechselseitigen Bedingtsein ist. Diese Aussage des Siegreichen gleicht einem Schatz. In anderen Worten, sie sind das Höchste, was uns an Belehrungen zuteilgeworden ist.“

Zum abhängigen Entstehen gibt es verschiedene Ebenen der Erklärung. Auf der ersten Ebene wird das abhängige Entstehen mit dem Kausalitätsgesetz gleichgesetzt, nämlich dass Wirkungen von ihren Ursachen abhängig sind. Khenpo Ckökyab illustriert diese abstrakten Zusammenhänge immer wieder durch gut nachvollziehbare Beispiele:

„Es ist also die Interaktion zwischen der eigentlichen Verursachung und den vielen Umständen, die dann ein Produkt herbeiführen bzw. entstehen lassen.
Noch ein weiteres Beispiel: Käse. Etwas Leckeres wie z.B. Käse entsteht nicht irgendwie und einfach aus sich selbst heraus, sondern man kann deutlich die ganze Verursachungskette erkennen, die zum Käse geführt hat. Die eigentliche Ursache ist Milch. Aber diese muss bearbeitet werden; es müssen verschiedene Bakterien usw. hinzukommen. So lässt sich dann Käse gewinnen. Aber wenn irgendein Glied in dieser Kette von Ursachen und Bedingungen fehlt, lässt sich kein Käse gewinnen. Das bedeutet, dass es diese ganze Kette von Ursachen und Umständen geben muss. Ohne sie kann das Produkt nicht entstehen.
Oder nehmen wir nochmal das Beispiel von eben: Feuer und Rauch. Feuer es ist ebenfalls ein bedingtes Phänomen. Feuer kommt nicht einfach so zustande. Es muss trockenes Holz zusammengetragen werden. Das Holz muss angezündet werden, Dann erst ist Feuer da und dann entsteht auch Rauch.“

Khenpo Chökyab bezieht in seine Ausführungen immer wieder grundlegende Informationen über die verschiedenen buddhistischen Schulen und Auslegungen ein. So gilt für die obigen Beispiele:

„Dies ist eine grobe Herangehensweise, um die Interaktion der vielen Ursachen und Umstände zu verstehen. In anderen Worten: Es sind zwar grobe Beispiele, die aber offensichtlich für alle die wechselseitige Bedingtheit zeigen, die, wie schon gesagt, die Seinsweise aller Phänomene auf der groben dinglichen Ebene ist. Die grundlegenden Sichtweisen und Philosophien innerhalb des Buddhismus, also z.B. der Vaibhashikas oder Sautrantikas, beziehen sich auf die grobe Bestehensweise der Dinge.“

Aber diese Sicht ist weder die einzige noch die höchste Art, die Lehre vom „abhängigen Entstehen“ zu verstehen. Die Madhyamika-Philosophie geht darüber hinaus:

„Madhyamika, d.h. die Philosophie des Mahayana, bezieht sich nicht auf grobstoffliche Dinge, auf Substanzen und darauf, wie Substanzen entstehen, sondern Madhyamika geht unmittelbar davon aus, dass letztendlich alle Phänomene wechselseitig bedingt sind. […]
Wenn wir zum Beispiel manche Dinge als gut bezeichnen, so kann dieses „gut“ nur in Relation zu „schlecht“ bestehen und umgekehrt. Wenn es kein „links“ gäbe, gäbe es auch kein „rechts“, beide sind aufeinander bezogen. Oder die Zahlen: „1“ würde keinen Sinn machen, wenn es nicht etwas gäbe, das mehr als „1“ ist, z.B. „2“. Egal um was es sich handelt, alle die Dinge sind aufeinander bezogen.”

Diese kurzen Zitate können natürlich nur eine kleine Impression von den verschiedenen Dimensionen, die die Lehre vom abhängigen Entstehen in sich trägt, bieten.

Wir dürfen auf Khenpo Chökyabs Fortsetzung im Juni gespannt sein.

Rolf Blume