Eindrücke, Fragen und Gedanken
Es war ein inspirierender Kongress in der Waldorfschule in Berlin, von dem ich vielleicht mit mehr Fragen als Antworten wiedergekommen bin. Die Palette der Themen und die damit verbundenen Vorträge und Workshops war sehr weit gefächert. Alleine die drei Felder des Untertitels "Arbeit – Umwelt – Wirtschaft" könnten schon für sich als Thema genügen.
Der Kommentar eines Teilnehmers im ersten Workshop "Buddhistische Antworten auf die ökologische Krise – Was können wir tun?", dass er es schon verwunderlich fände, dass bisher keine teilnehmenden Mönche und Nonnen zu sehen gewesen wären, zeigt in gewisser Weise das Spannungsfeld, in dem sich Buddhisten befinden können. Dieses eher als Vorwurf formulierte Statement impliziert, dass die Ordinierten nicht zur Stelle sind, wenn es darum geht, konkret etwas für die Gesellschaft zu tun. Sie beschäftigen sich mit dem Dharma und der Meditation und meinen vielleicht sogar, sie wären etwas Besseres, aber wenn es darum geht in der Welt aktiv zu werden, sind sie nicht zu sehen.
Leider gibt es derartige Ansichten häufiger, gerade auch unter Buddhisten. Die Frage, in wie weit verwende ich meine freie Zeit für Studium und Praxis des Dharma und wie weit engagiere ich mich gesellschaftlich, ist dem einen oder anderen sicher nicht unbekannt. Sicher ist: das eine kann das andere nicht ersetzen. So ist es seit Buddhas Zeiten eher die Aufgabe der Ordinierten den Dharma intensiv zu studieren, zu praktizieren, zu bewahren und weiterzugeben. Zudem sind die wenigen Ordinierten, die es in Deutschland überhaupt gibt, häufig mit organisatorischen Dingen oder dem Aufbau und Erhalt von Dharma-Zentren, Texten usw. beschäftigt, als dass sie zusätzlich noch gesellschaftlich aktiv werden könnten.
Wo wollen wir mit unserer buddhistischen Praxis hin? Der Vorstellung das Nirvana auf Erden zu schaffen, hat der Buddha eine Absage erteilt. In wie weit setzen wir uns also für die Verbesserung gesellschaftlicher Belange ein? Letztlich werden wir Befreiung nur auf geistiger Ebene durch die Umsetzung aller Teile des achtfachen Pfades erreichen können. Dabei sind die Bereiche Weisheit und Sammlung unverzichtbare Elemente, aber auch die Ethik mit Rechter Rede, Rechter Handlung und Rechtem Lebenserwerb gehört untrennbar dazu. Darüber hinaus setzen sich Mahayana-Praktizierende auf dem Weg der Bodhisattvas so gut wie möglich für das Wohl aller Wesen ein, allerdings mit zunehmenden spirituellen Qualitäten auch mehr für das geistige Wohl im Sinne einer Unterstützung auf dem Pfad. Dies hat nachhaltigere positive Auswirkungen.
Was können wir also tun? Ich denke, als Buddhist wird man nicht darum herumkommen, eine kontinuierliche Beschäftigung mit den Lehren und der Meditation zu suchen. Sie bleibt das Fundament, das unserem Geist mehr Klarheit, Mitgefühl und Weisheit geben kann. Auf diesem Fundament lassen sich dann verschiedenste heilsame Aktivitäten aufbauen. Auf dem Kongress wurde auch angesprochen, dass es in vielen Bündnissen, die sich mit dem Umweltschutz, sozialen Themen usw. beschäftigen, an einer spirituellen Unterfütterung mangelt. Diese muss natürlich nicht zwingend buddhistisch sein, aber bestimmte ethische Werte, mehr Achtsamkeit, umfassenderes Mitgefühl würden auch diesen Gruppen mehr Stabilität und Effizienz bringen.
Ob und wie gut das tatsächlich gelingt, wird sich vielleicht bald zeigen. Eine Gruppe von Teilnehmern des Kongresses war an der Gründung einer AG zu ökologischen Fragen interessiert, die insbesondere aus buddhistischer Perspektive verschiedene Problematiken andenken oder angehen wollte.
Prof. Brodbeck, einer der Hauptredner des Kongresses, widersprach als Volkswirt und Buddhist der Vorstellung, man könnte eine buddhistische Wirtschaftsökonomie aus der Lehre des Buddha kreieren. Zur Zeit des Buddha gab es diese Art von Geldverkehr, die wir heute oder auch schon in kleinerem Maßstab zu Beginn unserer Zeitrechnung hatten, nicht. So hat der Buddha auch keine Aussagen dazu gemacht. Interessant ist sicher die Gleichsetzung der anerkannten Mechanismen unserer Wirtschaft mit den drei Geistesgiften. So kann man Wachstum mit Begierde, Konkurrenz mit Aggression und dass man Geld einen spezifischen unabhängigen Eigenwert zuspricht mit Unwissenheit gleichsetzen. Solange unser Wirtschaftssystem auf dieser Basis ruht, die von den allermeisten als notwendig akzeptiert wird und auch an Universitäten usw. gelehrt wird, werden wir kaum zu einer gerechteren oder ethischen Wirtschaftsordnung kommen.
Patentrezepte für eine neue Ordnung sind derzeit nicht zu erkennen, aber es gibt verschiedene Maßnahmen, die auf regionaler oder auch globaler Ebene etwas bewirken können. So ist man als Buddhist in der Verantwortung, seinen Umgang mit Geld zu überprüfen, sich zu überlegen, wofür und wo man sein Geld ausgibt oder es anlegt, damit man damit zumindest möglichst wenig Schaden anrichtet.
Was das Handeln auf persönlicher Ebene betrifft, so hat die Zuhörer der Vortrag von Wilfried Reuter sehr berührt, der als Frauenarzt in einer Klinik arbeitet. Er erzählte die Geschichte eines viel zu früh geborenen Babys und seine Gedanken und Handlungen, die ein würdiges Sterben des mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf Dauer lebensfähigen Kindes ermöglichen sollten. Dabei sind als langjähriger Praktizierender und Dharma-Lehrer die Sieben Erleuchtungsglieder (Pali: Bojjhanga) seine Stütze im Fällen von Entscheidungen und dem Ausführen der Handlungen. Es wurde deutlich, welch große Hilfestellung der Dharma und die Dharma-Praxis im täglichen Leben sein kann.
Als einen wichtigen Punkt der letzten Podiumsdiskussion ist mir der eindringliche Appell von Sven Giegolt in Erinnerung, der über viele Jahre bei Attac aktiv war, dann in die Politik gewechselt hat und bei den Grünen eine "steile Karriere" hingelegt hat. Er sagte, dass ihm derzeit Angst und Bange wird, wenn die Grünen bei Wahlumfragen Werte von 30% haben. Er warb dafür, dass sich mehr Personen auch oder gerade aus den Reihen der Buddhisten in der Politik engagieren und sich für wichtige gesellschaftliche oder ökologische Themen einsetzen. Sicher macht man sich in gewisser Weise dabei die Finger schmutzig, in dem man Kompromisse eingehen muss. Man wird nicht alles Gewollte erreichen können, aber die Dinge vielleicht in eine richtige Richtung bewegen. Das ist dann etwas für Bodhisattvas mit festen Wurzeln.
Christian Licht